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Neue Forschung zu CCI: Wie häufig sind neurochirurgische Eingriffe bei Bindegewebserkrankungen?

A woman with a bun and an illustration of a spine along her spine

Dieser Beitrag ist eine Übersetzung des englischen Originals von Chronic Pain Partners.

Eine aktuelle Studie von Ruhoy et al. untersucht die Häufigkeit von Komorbiditäten sowie den Bedarf an neurochirurgischen Eingriffen bei Menschen mit Bindegewebserkrankungen (englisch: Connective Tissue Disorders, CTDs) – und liefert dabei wichtige Erkenntnisse über die vielschichtigen Herausforderungen dieser Patientengruppe.

Worum geht es in der Studie?

Bindegewebserkrankungen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die das Bindegewebe betreffen und zu einer Vielzahl klinischer Symptome und Begleiterkrankungen führen können. Eine der häufigsten Formen ist das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS), das schätzungsweise 1 von 500 Menschen betrifft. Menschen mit hEDS leben häufig zusätzlich mit weiteren Erkrankungen wie dem posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS), dem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAD) oder einer kraniozervikalen Instabilität (CCI) – ein Hinweis auf den komplexen medizinischen Versorgungsbedarf.

In der vorliegenden Studie analysierten Ruhoy und Kolleg*innen die Häufigkeit von Begleiterkrankungen und den Bedarf an neurochirurgischen Eingriffen bei insgesamt 717 Patient*innen, die in ihrer Einrichtung zur Abklärung von CTDs vorgestellt wurden. Davon erhielten 460 die Diagnose hEDS und 426 die Diagnose einer Chiari-Malformation (CMI).

Was wurde herausgefunden?

Die Studie zeigte, dass Menschen mit CTDs – insbesondere mit hEDS – häufig mehrere sich überschneidende Begleiterkrankungen aufweisen. Insgesamt hatten 89 % der Teilnehmenden entweder hEDS, CMI oder beides. Die häufigsten Komorbiditäten waren:

  • Tethered-Cord-Syndrom (TCS): 42 %
  • Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS): 41 %
  • Mastzellaktivierungserkrankung (MCAD): 34 %
  • Dysautonomie: 27 %
  • Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS): 22 %
  • Styloid-Hypertrophie (SH): 20 %
  • Refluxkrankheit (GERD): 16 %
  • Hypothyreose: 14 %
  • Gastroparese: 12 %
  • Small-Fiber-Neuropathie (SFPN): 11 %
  • Post-Treatment Lyme Disease Syndrome (PTLDS): 7 %
  • Median-Arkuat-Ligament-Syndrom (MALS): 5 %

Menschen mit hEDS hatten signifikant häufiger folgende Diagnosen: Dysautonomie, Gastroparese, MCAD, POTS, SFPN, GERD, TCS, SH, Hypothyreose, ME/CFS und PTLDS. Im Gegensatz dazu traten CMI und MALS häufiger bei Personen ohne formale CTD-Diagnose auf – was auf bislang nicht diagnostizierte Syndrome in dieser Gruppe hinweisen könnte.

Welche überschneidenden Diagnosen gibt es?

Die Studie visualisierte auch, wie sich verschiedene Diagnosen überschneiden. Die fünf häufigsten Muster waren:

1. CMI bei Personen ohne CTD-Diagnose (13 %)

2. CMI bei Personen mit hEDS (4 %)

3. CMI und TCS bei Personen ohne CTD-Diagnose (3 %)

4. hEDS allein (3 %)

5. CMI und TCS bei Personen mit hEDS (3 %)

Diese Muster unterstreichen die Komplexität der Erkrankungen und die Notwendigkeit eines ganzheitlichen diagnostischen Ansatzes.

Welche Operationen wurden durchgeführt?

Insgesamt wurden bei 612 der 717 Patient*innen (85 %) Operationen durchgeführt. Die häufigsten neurochirurgischen Eingriffe waren:

  • Kraniozervikale Fusion (CCF): 52 %
  • Dekompression der hinteren Schädelgrube (PFD): 44 %
  • Lösung eines Tethered Cord (TCR): 34 %
  • Ventrikuloperitonealer Shunt (VPS): 11 %
  • Styloidektomie: 9 %
  • Reparatur von Liquorleckagen: 8 %
  • Anteriore zervikale Diskektomie und Fusion (ACDF): 6 %
  • Transtemporale okulomotorische Operation (TOO): 2 %

Von den 460 Personen mit hEDS entschieden sich 404 (88 %) für einen chirurgischen Eingriff. Besonders häufig waren:

  • Kraniozervikale Fusion (73 %)
  • Dekompression der hinteren Schädelgrube (48 %)

Bei Personen mit sowohl hEDS als auch CMI waren folgende Eingriffe am häufigsten:

1. CCF + PFD: 16 %

2. Nur PFD: 12 %

3. CCF + PFD + TCR: 12 %

4. Nur CCF: 9 %

Im Vergleich zur Gruppe ohne CTD-Diagnose hatten Menschen mit hEDS signifikant häufiger folgende Eingriffe: CCF, Styloidektomie, TCR und Reparatur von Liquorleckagen.

Zentrale Erkenntnisse der Studie:

  • Komorbiditäts-Cluster: Die meisten Personen hatten entweder hEDS, CMI oder beides. Diese Diagnosen gingen häufig mit weiteren muskulären, immunologischen und autonomen Problemen einher.
  • Neurochirurgische Eingriffe: Besonders bei hEDS traten häufig strukturelle Probleme wie das Tethered Cord oder eine Instabilität im kraniozervikalen Übergang auf, die operative Behandlungen wie CCF erforderlich machten. Bei CMI kamen häufiger PFD, VPS, ACDF und TOO zum Einsatz.
  • Überlappende Krankheitsbilder: hEDS und CMI traten oft gemeinsam auf. Über die Hälfte der Betroffenen mit einer dieser Diagnosen hatte auch die andere – was auf gemeinsame pathophysiologische Ursachen hindeuten könnte. Dennoch unterschieden sich die Operationsarten je nach Diagnose deutlich.
  • Geschlecht und autonome Dysfunktion: Die Mehrheit der untersuchten Personen war weiblich. Auffällig war auch die hohe Rate an autonomen Funktionsstörungen (wie POTS) und immunologischen Komorbiditäten (wie MCAD). Diese treten häufig gemeinsam auf und bilden eine Art diagnostisches Trio, das oft chirurgische Eingriffe wie CCF, TCR oder Liquorleck-Reparaturen notwendig macht.
  • Weitere Auffälligkeiten: Menschen mit hEDS litten signifikant häufiger an Gastroparese, MALS, Dysautonomie, SFPN, GERD, Hypothyreose, ME/CFS und PTLDS – diese Erkrankungen waren in der hEDS-Gruppe wesentlich häufiger als bei Personen mit CMI allein.

Was bedeutet das für Betroffene mit CTDs?

Die Studie macht deutlich, dass Menschen mit Bindegewebserkrankungen selten in ein einzelnes diagnostisches Raster passen. Vielmehr treten Krankheitsbilder oft in Clustern auf, was einen umfassenden diagnostischen und therapeutischen Ansatz notwendig macht. Besonders bei hEDS bestehen häufig strukturelle und neurophysiologische Störungen, die operative Eingriffe erforderlich machen. Diese Eingriffe zielen nicht nur auf strukturelle Probleme (z. B. Instabilität im kraniozervikalen Bereich) ab, sondern auch auf begleitende neurophysiologische Komplikationen (wie Liquorleckagen oder Tethered Cord).

Für Ärzt*innen bedeutet das: Sie sollten beim Umgang mit Patient*innen mit hEDS und/oder CMI ein breites Spektrum möglicher Begleiterkrankungen im Blick haben. Eine umfassende Diagnostik könnte langfristig helfen, die Versorgung und Lebensqualität dieser komplexen Patientengruppe deutlich zu verbessern.

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