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Leserbrief zum Beitrag „Ärzte behandeln Rückenschmerzen oft falsch“

Mein Leserbrief zum Beitrag  „Ärzte behandeln Rückenschmerzen oft falsch“

Hier ist der ursprüngliche Beitrag der Süddeutschen zu finden:

Ärzte behandeln Rückenschmerzen oft falsch

Kostenersparnis zum Leidwesen des Patienten

Mit Kopfschütteln und Traurigkeit las ich den Beitrag „Ärzte behandeln Rückenschmerzen oft falsch“. In meinen Augen sind einige der Schlussfolgerungen, die durch das Bertelsmann Institut gezogen wurden, unzureichend durchdacht und spielen letztlich den Krankenkassen in die Hände, die bereits seit Jahren gar nicht glücklich über die hohen Kosten, die durch diverse Bildgebung entstehen, sind.

Auf mich erweckt die Studie den Eindruck, wir würden uns in großen Rückschritten wieder in eine Welt vor diesen lebensrettenden Verfahren bewegen. Es mag sein, dass nicht alle MRTs notwendig wären. Doch muss man sich vor Augen führen, dass durch die nun pauschalisierte Aussage, ein Großteil der Bildgebung wäre überflüssig, viele Patienten mit ernsthaften Erkrankungen, wie einem Wirbelgeleiten, fehl- und unterdiagnostiziert werden. Diese Patientengruppe könnte anhand dieser aktuellen Studie immense Folgeschäden erleiden. Und wer trägt dann die Konsequenzen?

Es ist ein Denkfehler, dass Patienten damit geholfen wäre, dass Symptome bagatellisiert werden. Dies kann Gesundheitsschäden und negative wirtschaftliche und soziale Folgen mit sich bringen. Des Weiteren ist Schmerz nur ein Symptom, dessen Ursache aufzuklären natürlich dazu beiträgt, eine für den Patienten geeignete Therapie zu finden. Ist es nicht außerdem auch viel mehr so, dass die Erfolge der Rückenschmerztherapie bescheiden sind, weil eben keine korrekte Diagnose gestellt wurde?

Mit keinem Wort werden in dieser Studie, die nicht peer reviewed wurde, mögliche Risiken, die

aus einer Fehlbehandlung resultieren, erwähnt. Rückenmarksschäden, Nervenkompression und Lähmungserscheinungen sind nur einige wenige, die durch versäumte Diagnosen entstehen können und deren Leidtragender der Patient ist.

Das Befunde überbewertet werden ist wohl deutlich seltener der Fall, als dass Befunde fehlinterpretiert oder verharmlost werden. Auch hier stellt sich die Frage, was für den Patienten besser ist. Wie genau soll denn gewährleistet werden, dass zwischen spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen differenziert wird, wenn nicht durch Bildgebung?

Wir wissen bereits wie häufig es weltweit zu Fehldiagnosen kommt, denen oft ein Mangel an adäquater Diagnostik (die Bildgebung einschließt) zugrunde liegt. Es ist absehbar, dass diese Studie nur weiter dazu beiträgt, dass Patienten schwere Schäden erleiden werden, nicht nur in Bezug auf Rückenschmerzen. Denn auch heute schon ist es traurige Praxis, dass in Kliniken aus Kostengründen auf ein MRT verzichtet wird und dadurch z. B. eine Lungenembolie als Lungenentzündung falsch behandelt wird und für den Patienten möglicherweise den Tod zur Folge hat. Ähnlich schwere Verläufe sind auch bei Rückenschmerzen denkbar, da auch  hier die Ursachen vielfältig sein können.

Die insgesamte Zahl an durchgeführten bildgebenden Verfahren mag gestiegen sein. Doch auch hier will weiter differenziert werden. Es ist hinreichend bekannt, dass in manchen orthopädischen Praxen fast jeder Patient erst einmal geröntgt wird, ganz unabhängig der Beschwerden. Vermutlich, weil gerade das praxiszentrale Röntgen mehr Geld in die Kasse spielt. Hingegen wird in Krankenhäusern nur noch sehr selten MRT oder CT angewandt, um Kosten zu senken. Dieses Vorgehen ist sicher nicht im Interesse des Patienten.

Was grundsätzlich bei den Krankenkassen kaum ins Gewicht fällt sind präventive Maßnahmen, die der Patient durch das erlangte Wissen von z. B. „Verschleißerscheinungen“ ergreifen kann, um später Kosten zu senken.

Ebenfalls nicht zu ignorieren ist die Stigmatisierung und schlechtere Versorgung solcher Schmerzpatienten, die durch die sehr einseitige Betrachtungsweise dieser Studie entsteht.

Ein weiterer Punkt der überaus kritisch zu sehen ist, ist der Hinweis, dass „nur“ einer von zwei Ärzten psychische Belastung als Ursache erwähnt. Es ist unlängst bekannt, dass psychosomatische Diagnosen in Deutschland insgesamt stark zunehmen.  In Bezug auf Rückenschmerzen und Stress liegt jedoch kein Kausalzusammenhang vor. Deshalb sollte diese, als Tatsache dargestellte, Ursache, die eigentlich eher eine Hypothese ist, auch nicht mehr als eine Randüberlegung sein. Viel zu häufig erleiden Patienten falsche Behandlungen aufgrund falscher psychischer Diagnosen.

Fazit:

Die Frage, ob im Zweifel Diagnostik stattfinden soll, ist eine ethische Frage und sollte als solche unter Einbeziehung von Patientenvertretern durch Ethikkommittees bewertet werden. Unterschiedliche Interessenslagen und mögliche negative und positive Auswirkungen müssen gegeneinander abgewogen werden. Dies darf nicht einseitig zu Lasten der betroffenen Patienten geschehen, die in dieser Situation abhängig und schutzbedürftig sind. Es kann auch nicht pauschal gesagt werden, der Großteil der Bildgebung ist unnötig, oder es sollte bei jedem Rückenschmerzpatient eine Bildgebung erfolgen. Dies ist hoch individuell und die in der Studie enthaltenen Aussagen tragen letztlich nur dazu bei,  dass in absehbarer Zukunft mehr Kosten durch fehlerhafte Therapien, Folgeschäden und Fehldiagnosen auf die Kassen zukommen.

1 Kommentar
  1. Elena sagte:

    Leider ist Bertelsmann eine der Lobby Institutionen und dient somit NUR die Wirtschaft.
    Als ich das Resultat der Studie im Fernseher sah, konnte ich nichts anders als „Kopfschütteln“.
    Und zum letzteren Teil. Wir wissen, dass es viel einfacher ist, alles auf die Psyche zu schieben, statt den zeitaufwandigen Gespräch zu -nicht (genügend) vergütet- führen und die Ursache zu suchen; kostspielig auf dem ersten Blick, aber negativen Folgen-, Kosten- und Zeitsparend für alle, nicht nur für den Patient!

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