Historie eines chronischen Kranken – mit Nebenwirkungen
von Andreas Copar.
Könnt ihr euch noch an das Jahr 2004 erinnern? Ich mich schon, denn in diesem Jahr beginnt meine Geschichte.
Alles fing noch ganz harmlos, mit der Renovierung des Badezimmers an.
Wir hatten ein altes Haus mit Holzfußboden und plötzlich konnte ich die Abstände der Balken nicht mehr abschätzen. Daraufhin meinte meine Lebensgefährtin, ich solle doch einmal zum Augenarzt gehen.
Da ich seit meiner Kindheit Brillenträger bin, war meine jährliche Kontrolle ohnehin fällig. Gesagt, getan. Auf zum Augenarzt. Bis zur Routinekontrolle war auch noch alles in Ordnung. Doch dann sagte die Ärztin, wir sollten eine Gesichtsfelduntersuchung durchführen.
Ich fühlte mich in meine Kindheit zurück versetzt. Plötzlich hatte ich einen Joystick in der Hand und sollte diesen drücken, wenn vor mir in dem Kasten ein Licht aufleuchten würde. Gesagt, getan. Ich habe also, wann immer etwas aufgeleuchtet hat, auf den Joystick gedrückt.
Das Resultat war niederschmetternd!
Ich war wie ein Pferd, das Scheuklappen trägt. Konnte zu beiden Außenseiten hin nichts sehen. Meine Augenärztin meinte, sie hätte da eine Vermutung, wollte diese aber erst neurologisch abgeklärt wissen.
Also auf zum Neurologen! Beim Neurologen wurde dann nach ein paar kleineren Untersuchungen ein MRT angeordnet, welches sofort stattfand. Ich fand diese MRT-Röhre ein wenig eng, bin aber auch knapp zwei Meter und hatte damals ca. 120 kg Lebendgewicht.
Das Ergebnis war erschütternd! Ich, der sehr selten krank war, hatte einen Tumor im Kopf. Der Neurologe meinte, es wäre ein Hypophysenadenom und es müsse schnellstmöglich operiert werden.
Drei Tage später, es war bereits Oktober, wurde ich operiert.
Die Ärzte haben mich durch die Nase operiert, das Adenom entfernt und die Nase mit Tamponaden verschlossen. Ganz toll, wenn man, wie ich, Nasenatmer ist. Ich konnte also, nachdem ich aus der Narkose erwachte, keine Luft holen, bis ich in leichter Panik meinen Mund öffnete. Man kann sich gar nicht vorstellen wie das ist, atmen zu wollen, aber nicht zu können. Das wünsche ich niemandem!
Ganze drei Tage blieben die Tamponaden in meiner Nase, bis endlich eine gezogen wurde.
Mir sagte der Begriff „Tamponade“ bis zu dem Zeitpunkt nichts, ich hielt es immer für einen Tampon. Aber nein, das Ding in meiner Nase war ca. drei Meter lang und durch die Bluteinwirkung während der OP natürlich mittlerweile leicht verkrustet. Ich hatte Tränen in den Augen und wollte den Arzt lynchen. Das tat vielleicht weh im Moment des Ziehens.
Aber, der Arzt blieb verschont, ein Nasenloch frei und ich freute mich wieder richtig atmen zu können. Am Folgetag dann die Prozedur auf der anderen Seite. Ich und auch der Arzt habe überlebt.
Wisst ihr noch, was ihr im März 2005 gemacht habt?
Ich schon, denn ich war zum Kontrolltermin bei meiner Augenärztin, die sehr zufrieden war, da sich meine Sehnerven und dadurch auch meine Gesichtsfeldausfälle verbesserten.
Danach ging es weiter zum MRT-Termin. Und dort kam die Ernüchterung, das Hypophysenadenom war wieder da. Größer als vorher! 2004 ein Tischtennisball, nun ein Minigolfball. Die zweite OP stand an. Op gut verlaufen und auch das Tamponadenziehen habe ich diesmal gut überstanden. (Der Arzt auch).
Die Jahre 2006 und 2007 habe ich nur mit Kontrollterminen bei meinen Ärzten verbracht.
Außerdem hatte ich mittlerweile einige Medikamente bekommen, die ich nun für immer einnehmen muss, aber dazu später mehr.
Bei der Kontrolle im Jahr 2008 wurde dann erneut ein Hypophysenadenom festgestellt. Also auf ein Neues: Ihr wisst schon, die Tamponade und ich, der Arzt überlebte auch dieses Mal.
2009 verlief komplikationslos. Mein Gesichtsfeld besserte sich und ich war frohen Mutes bis zur Kontrolle des Jahres 2010, bei dem erneut ein Adenom festgestellt und wieder operiert wurde.
Damals war ich kurz davor zu zerbrechen und meine Lust am Leben zu verlieren.
Dank meiner Kinder, meiner Lebensgefährtin und meiner Hündin habe ich mich aber gefangen und wurde erneut operiert.
Bei dieser Operation wurden meine Sehnerven beschädigt, sodass ich nun alles was über mir ist, nicht mehr sehen kann. Das seitliche Gesichtsfeld verbesserte sich jedoch nach dieser OP wieder.
Die Jahre 2011 und 2012 verbrachte ich erneut mit Kontrollterminen.
Es folgte 2013. Erneute Kontrolle – erneutes Hypophysenadenom – erneute Operation – erneut durch die Nase – erneut, ihr wisst schon.
Aber Nein, es war ganz anders! Ich habe mir während der Operation einen Krankenhauskeim eingefangen! Die Operation als solche war ja mittlerweile reine Routine für mich. Zum verschließen des Kopfes wurde mir bei dieser OP Eigenfett aus dem Bauch entnommen. Die Ärzte jedoch vergaßen dabei, mir ein Sixpack zu modellieren. So habe ich nun eine kleine Narbe am Bauch, die mich für immer an diese Operation erinnert.
Nach der Operation wurde ich auf der Intensivstation wach und bekam Luft. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich in meinem noch narkotisierten Zustand gefreut habe. Die Methode der Tamponade auf beiden Seiten sei veraltet, wurde mir gesagt. Ich war etwas irritiert, war aber zu gut gelaunt um dem Arzt etwas entgegenzusetzen. So wurde ich etwa eine Woche nach der Operation entlassen.
Als wir abends ins Bett gehen wollten, fingen meine Beine an extrem zu zittern.
Ich hatte keine Kontrolle mehr, konnte mich auch verbal nicht mehr verständigen und fiel um. Alles Weitere weiß ich nur aus Erzählungen. Meine Lebensgefährtin rief sofort den Rettungswagen.
Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und kam auf die Intensivstation. Etwa zehn Tage später erwachte ich wieder ganz langsam. Im ersten Moment wusste ich gar nicht wo ich war, hörte nur ein Gepiepse und sehr weit entfernt einige Stimmen. Ich öffnete die Augen und brauchte einen Moment um meine Gedanken zu ordnen.
Nach einigen Stunden kam ich dann auf die Normalstation. Die Ärzte damals rieten mir die Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Gesagt, getan. Alles lief reibungslos über die Sozialstation des Krankenhauses. Rein zufällig war es mein Tamponaden-Arzt, der mir alle Fachbegriffe meiner Krankheit in die Anträge schrieb. Er machte sogar noch Krankenhausstempel auf die Fachbegriffe. Im Oktober bekam ich dann den Bescheid, dass ich die volle Erwerbsminderungsrente bekäme.
Die vergangenen Jahre genoss ich einfach mein Leben. Ich habe mittlerweile einen Job nebenbei, in einem Krankenhaus, womit ich meine kleine Rente ein bisschen aufbessere.
Nun haben wir April 2016. Aktuell habe ich das sechste Hypophysenadenom. Diesmal können sie nicht operieren. Nun werde ich über die Dauer von fünf Wochen bestrahlt.
Wenn Ihr mehr über mich erfahren wollt, dann kommt zu Facebook.
Ihr findet mich dort in der Gruppe „Hormonis“. Würde mich freuen von Euch zu hören bzw. zu lesen.
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