Kevin & Multiple Sklerose, Kämpferherzen: Episode 6, Aches, Pains & Smiles
In Episode 6 von Aches, Pains und Smiles spreche ich mit dem Multitalent Kevin Hoffmann, der als Kevin Kämpferherz auf Instagram tausende von Menschen über die Erkrankung Multiple Sklerose aufklärt. Kevin erzählt mir, wie er zu einem der bekanntesten deutschen MS-Influencern wurde und warum sich dutzende Menschen sein Tattoo stechen lassen.
[Kevin]
Ich habe meine Mutter angerufen aus dem Krankenhaus und mit ganz dramatischen Worten: „Mama, dein Sohn wird sterben.“ Ich wusste es ja nicht besser. MS… Da hättest du mir auch sagen können ich habe ALS. Das wäre für mich das Gleiche gewesen. Also, ich konnte mit der Diagnose nicht viel anfangen. Ich wusste es ist eine chronische Krankheit und die gehörte für mich so zu den Schwergewichten der Krankheiten. Also so eine Stufe unter Krebs war das für mich.
[Intro]
Hey, schön, dass Ihr wieder reinhört in Aches, Pains & Smiles. Oder, falls ihr schon sehnsüchtig auf die nächste Folge gewartet habt: Sorry! Aufgrund diverser chronischer Erkrankungen und privater Umstände kam es zu einer ungewollten Pause. Aber jetzt sind wir wieder da! Und falls ihr euch fragt, wer “wir” sind: Mein Name ist Karina Sturm und ich bin Multimediajournalistin und mit meiner Arbeit gebe ich Menschen mit den verschiedensten chronischen Krankheiten und Behinderungen eine Plattform. Außerdem lebe ich selbst mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom, einer seltenen Bindegewebserkrankung. Gemeinsam mit meinen Gäst*innen möchte ich mit den typischen Vorurteilen gegenüber chronisch kranker und behinderter Menschen aufräumen! Wird auch Zeit, oder?!
Heute plaudere ich mit Kevin Hoffmann, besser bekannt unter seinem Insta-Username Kevin Kämpferherz! Kevin lebt mit Multipler Sklerose und ist einer der bekanntesten deutschen Influencer für die Erkrankung. Außerdem ist er Autor, Moderator, Eventmanager, und vieles mehr. Kevin erzählt mir von seiner MS-Diagnose und dem harten Fall danach, wie er als chronisch kranker junger Mann mit dem Stereotyp des “starken Mannes” umgeht und warum sich dutzende von Menschen Kevin’s Tattoo stechen lassen!
[Begrüßung]
Karina:
Hallo lieber Kevin, ich freue mich riesig, dich heute bei mir zu haben. Ich spreche immer super gern mit chronisch kranken Männern, weil ihr doch eher rar seid. Also zumindest im Sinne von öffentlich über Krankheit sprechen. Magst du mir mal kurz ein bisschen was von dir und deinen Diagnosen erzählen und wie die überhaupt zustande kamen?
Kevin:
Hi Karina, erst mal vielen Dank, dass du mich eingeladen hast, hier Gast in deinem Podcast zu sein. Und es freut mich natürlich auch sehr, dass du mir eine Stimme gibst mit deinem Podcast. Ja, ich bin Kevin Hoffmann. Ich komme aus Kassel, bin über die sozialen Medien aktiv unter Kevin Kämpferherz und habe seit 2014 die Diagnose Multiple Sklerose im schubförmigen Verlauf und lebe damit jetzt seit acht, neun Jahren ganz okay. Ach so, wie es dazu gekommen ist wolltest du wissen. Ich muss ein bisschen ausholen. Ich war 2013 in Australien für Work & Travel nach der Ausbildung und als ich wieder nach Deutschland gekommen bin, habe ich wieder den Sport angefangen und erwähne Australien, weil ich dort beim Sport auch so ein platzendes Gefühl im Nacken hatte. Heute glaube ich, das hat was mit der Bandscheibe zu tun. Damals hatte ich zwei Wochen mich nicht bewegen können und kam halt wieder in Deutschland an, habe dann mein Training gemacht und plötzlich habe ich in der rechten Körperhälfte meine Gefühle verloren, also meine Kraft und alles und ich bin wie ein nasser Sack von dieser Klimmzugstange runtergefallen und das war mein erster Schub, ohne zu wissen, dass ich meinen ersten Schub habe, denn dieses Gefühl kam jede Stunde wieder für circa fünf bis zehn Minuten.
Das heißt, ich war dann zu Hause im Wohnzimmer, bin so lange gelaufen und klack, war ich wieder auf der Seite gelegen und habe aber mir gedacht: „Gut, ich habe einfach einen Nerv eingeklemmt. So wie in Australien.“ Das vielleicht. Und dann bin ich dann noch mal zum Arzt gegangen. Also erst mal gar nicht deswegen. Aber weil ich dann Sorgen hatte, dass das vielleicht was mit diesem platzenden Gefühl im Nacken zu tun hat, was ich im Urlaub hatte. Und dann hat der Arzt gesagt: „Oh nein, nicht dass das so ein Aneurysma ist, das müssen wir am MRT überprüfen.“ MRT gemacht und da war nichts zu sehen, außer weiße Punkte im Hirn. Aber der Neurologe, bei dem ich das habe kontrollieren lassen, der meinte: „Och, das ist aber selten. Das kenne ich nur von Menschen, die weit über 80 sind. Also das müssen wir mal beobachten.“ Ich muss dazu sagen, dass der Neurologe auch schon kurz vor seiner Rente gewesen ist und ich glaube einfach nicht mehr so ambitioniert oder auf dem neuesten Stand. Ich weiß es nicht. Und das erst mal so. Es wird ein langer Monolog, wenn ich da jetzt weitermache. Ich versuche mich kurz zu fassen, wie es zur Diagnose kam.
Karina:
Aber das ging ja dann relativ schnell, oder? Wenn du dann direkt im MRT gelandet bist, wo man dann ja eigentlich so die typischen Zeichen für die MS gesehen hat, also bis auf den Arzt, der es nicht so ganz einordnen konnte.
Kevin:
Genau, also aber wegen Verdacht auf Aneurysma. Ich war auch die erste Woche gar nicht da, das wurde dann auch wieder besser. Aber ich bin dann trotzdem mal zum Arzt gegangen und dann kam das einfach so mit dem MRT wie gesagt, zum Glück. Ich bin dann auch in eine andere Stadt gezogen, dort auf einmal Sehprobleme auf dem rechten Auge bekommen, wieder zum Arzt gegangen. Augenarzt meinte: „Ich erkenne deine Probleme, aber am Auge selbst ist nichts dran. Geh bitte mal zum Neurologen.“ Wieder zum Neurologen gesagt: „Hier anscheinend Verdacht auf Sehnerventzündung.“ Und dann ist es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Dann hat der Neurologe mich mit den MRT Bildern und meiner Sehnerventzündung in eine neurologische Spezialklinik überwiesen und dort wurde dann innerhalb von einer Woche mit Punktion des Rückenmarks usw. die MS festgestellt.
Karina:
Äh, du meinst eine Liquorpunktion, oder?
Kevin:
Liquorpunktion, genau. Durch das Rückenmark durch oder durch den Wirbel. Es hat auf jeden Fall wehgetan.
Karina:
Ja, das tut höllisch weh. Ich hatte das auch schon. Es war kein großes Vergnügen. Also, ich weiß noch ganz gut, wie das bei mir damals war, als ich mit EDS, also mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom, diagnostiziert worden bin. Das war für mich super erleichternd, gerade weil meine Diagnose vier Jahre gedauert hat, im Endeffekt von den schlimmen Symptomen bis zur tatsächlichen Diagnose. Also ich war total erleichtert, dass ich endlich wusste, warum ich eigentlich so krank bin. Aber gleichzeitig bin ich auch erst mal völlig in ein Loch gefallen. Ich war traurig über alles das, was ich plötzlich verloren hatte: mein Job, meine Unabhängigkeit, den Sport, den ich unfassbar geliebt hatte. Mein Partner, der mich sitzen hat lassen. Wie war das damals für dich?
Kevin:
Ähnlich. Also ich war in ein ganz tiefes Loch gefallen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht viel über Multiple Sklerose, nur dass die Arbeitskollegin meiner Mutter das auch hat. Und die hat mir ganz oft erzählt: „Ach, heute konnte sie wieder nicht zur Arbeit kommen. Die hat ihre Medikamente genommen. Jetzt kann die zwei Tage nicht arbeiten.“ Dann ist sie, sagte sie, wie so ein Gemüse auf der Couch und vegetiert so ein bisschen vor sich hin nach der Einnahme, oder: „Ach, jetzt hat sie wieder einen Schub und kann gerade nicht laufen. Die fällt jetzt wieder zwei Wochen aus“, oder: „Jetzt hat sie wieder einen Schub und die Hände funktionieren nicht mehr“, oder: „Sie hat kein Gefühl in den Händen“, und solche Sachen habe ich gehört. Das war meine Assoziation zu MS und mein erster Gedanke war – okay, ich war 24 gerade – „Ja gut, all das, was ich mir vorgenommen habe, wo ich mal mit 30 sein möchte, das werde ich niemals. Wenn ich Pech habe, bin ich in zwei, drei Jahren pflegebedürftig. Ich werde meinen liebsten Menschen zur Last fallen. Ich werde die Karriere, die ich angestrebt habe, nicht verfolgen können.“ Ich hatte eine Partnerin zu dem Zeitpunkt, war aber auch nicht glücklich in der Beziehung. Und die war eigentlich schon innerlich abgeschlossen, war dann aber sehr egoistisch und habe diese Beziehung am Laufen gehalten, weil ich auch dachte: „Wer will mich denn noch mit dieser Krankheit?“ Ich weiß, das war kein edler Move von mir, aber stehe ich heutzutage zu. War halt doof, muss ich auch eingestehen. Ja, und ich habe meine Mutter angerufen, aus dem Krankenhaus und mit ganz dramatischen Worten: „Mama, dein Sohn wird sterben.“ Ich wusste es ja nicht besser. MS, da hättest mir auch sagen können ich habe ALS. Das wäre für mich das Gleiche gewesen. Ich konnte mit der Diagnose nicht viel anfangen. Ich wusste es ist eine chronische Krankheit, und die gehörte für mich so zu den Schwergewichten der Krankheiten. Also so eine Stufe unter Krebs, war das für mich
Karina:
Wahnsinn. Und wie ging es dann weiter? Wie bist du da erst mal wieder rausgekommen aus diesem Loch.
Kevin:
Das hat gedauert. Also dann mache ich den Podcast heute alleine, wenn ich diese Frage beantworte. Dann rede ich 20 Minuten am Stück. Das war ein sehr langer Weg. Wenn ich das versuche, mit wenigen Sätzen zusammenzufassen, dann folgten darauf zwei Jahre mit depressiven Episoden, zehn Kilo zugenommen, Arbeit verloren oder Arbeit aufgegeben eigentlich eher, weil ich ja in einer anderen Stadt gewohnt habe für vier Monate und dann direkt wieder mit allem zurück nach Kassel gezogen bin. Meine ganzen Ersparnisse gingen für diesen Umzug, für den neuen Job drauf. Ich hatte kein Geld mehr, ich war arbeitslos. Ich bin dann bei meiner Freundin eingezogen, die ich aber eigentlich nicht so richtig liebte. Irgendwie war alles doof. Familie und Freunde wollten mir helfen, aber ich fühlte mich nicht verstanden. Und das hat dann sehr lange gebraucht, bis ich die Erkenntnis gewonnen habe, dass ich zwei Jahre mit der Krankheit lebe, immer noch gehen kann, immer noch alles funktioniert und ich irgendwie meine letzten zwei Jahre komplett mit negativen Gedanken verschwendet habe, obwohl eigentlich alles gut ist. Es war ein ewig langer Prozess, aber der Knackpunkt war, dass ich verstanden habe, solange jetzt ja alles geht, warum traurig sein und die Zeit vergeuden? Ich kann immer noch traurig sein und depressive Gedanken haben, wenn es wirklich mal so kommt. Aber bis dahin werde ich jeden Tag nicht nur genießen, ich werde noch viel intensiver leben als vor der Krankheit.
Karina:
Hm. Das ist eine gute Erkenntnis. Es klingt irgendwie ein bisschen ähnlich wie bei mir. Ich bin auch durch diese ganzen Trauerphasen gegangen und dann irgendwann bei Akzeptanz rausgekommen. Aber es hat, glaube ich, auch drei oder vier Jahre gedauert, bis ich aufgehört habe, gegen mich selbst zu kämpfen und nicht mehr versucht habe, wieder zu diesem „Ich“ vor dem Kranksein zurückzugehen. Aber das hat halt irgendwie einfach nicht funktioniert und alles immer nur noch schlimmer gemacht.
Kevin:
Ja, ich verstehe das. Man will den Status Quo wieder irgendwie herstellen, die ganze Zeit.
Karina:
Das was man halt kennt, also das was vertraut ist und was man vorher hatte. Ich konnte halt auch ganz lange nicht nachvollziehen, warum das jetzt plötzlich einfach nicht mehr gehen soll. Aber es ging halt nicht und irgendwann musste ich einsehen, dass es kein Weg vorwärts ist, wenn ich die ganze Zeit nur in der Vergangenheit lebe. Erzähl mir mal, wann du angefangen hast, öffentlich über die Erkrankung zu sprechen. Was war da deine Motivation für und wann hast du gesagt: „Okay, ich mache das jetzt alles öffentlich.”
Kevin:
Das kam aus dem Affekt bei mir. Ich habe ja wie gesagt die ersten zwei Jahre mit der Krankheit gelebt, ohne das groß zu erzählen. Der enge Freundeskreis und die Familie: da war das schon Gang und Gebe und die wussten das dann. Aber ich habe jetzt keinem erweiterten Freundeskreis davon erzählt oder guten Bekannten oder so was. Oder Menschen, die ich treffe von früher. Ich habe mich dann irgendwann aus dieser Beziehung gelöst, von der ich gesprochen habe, die eigentlich schon längst zum Scheitern verurteilt war und war dann allein in meiner Wohnung. Und es war ein Tag, da kam ich vom Einkaufen nach Hause und ich war den ganzen Tag schon sehr bedrückt. Und ich habe dann die Tür hinter mir geschlossen, hatte so zwei schwere Einkaufstaschen in der Hand und bin wirklich fast wie bei einer schlechten Folge „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ mit dem Rücken an der Tür zusammengesackt. Habe diese zwei Beutel fallen lassen, habe unheimlich angefangen zu weinen. Es fühlte sich für mich an wie ein Nervenzusammenbruch. Ich habe mich gar nicht mehr richtig eingekriegt, weil all diese ganzen Sachen dann so ein bisschen von mir runtergefallen sind.
Also diese ganzen Gedanken, ich habe sie zugelassen, ich habe sie immer versucht zu verdrängen und das war der Zeitpunkt, wo ich sie einfach nicht mehr verdrängen konnte. Und dann habe ich mir gesagt – ich hab zu dem Zeitpunkt schon mit YouTube Videos angefangen, weil ich war ja auch in der Zeit davor arbeitslos und wollte irgendwas wenigstens machen und habe dann meine Kamera genommen und mir gesagt: „Okay, weißt du was? Ich werde jetzt einfach all das, was in meinem Kopf ist, in diese Kamera sprechen, ohne dass mir meine Mama oder ein guter Kumpel oder sonst wer dazwischen reden kann oder mir mit so einer gutgemeinten Floskel um die Ecke kommt a la „Ja, wird schon alles gut, glaub jetzt an dich, das wird doch nicht so schlimm.“ Und diese ganzen Floskeln, die man halt kennt, die haben mir leider nicht sehr viel weitergeholfen. Und ich fühlte mich auch nicht ernst genommen. Dann habe ich gesagt ich spreche das jetzt in die Kamera rein, einfach für mich. Und weil ich eh nicht viel zu tun hatte, habe ich das Video dann auch geschnitten. So für mich. Habe es mir angeguckt und fand es ziemlich gut, was dann daraus geworden ist. Nach wenigen Tagen habe ich mich dazu entschieden, dieses Video hochzuladen. Also es war einfach wirklich aus dem Affekt heraus. Ich saß da und dachte, ich lade jetzt einfach hoch, ich mache es jetzt einfach. Das Video gibt es heute noch auf YouTube und es heißt „Mein Kampf gegen MS, Teil 1: Angst.“ Und dann habe ich über meine ganzen Ängste und Zukunftsängste gesprochen. Und das war eigentlich ein ganz, ganz großer Wendepunkt in meinem Leben. Denn dort habe ich erstmalig Kommentare erhalten von anderen Betroffenen und habe auch Kommentare von anderen Betroffenen bekommen, die in einer ähnlichen Situation wie ich waren. Das war mir ganz wichtig, weil natürlich gab es Informationen zu MS. Nur waren die Personen, die darüber gesprochen haben oder gebloggt haben oder wie auch immer, meistens schon irgendwie über 50. Ich war ja Anfang 20 und ich konnte mich nicht mit deren Zielen identifizieren. Ich war am Anfang meiner Karriere, ich hatte keine Kinder, ich hatte kein Haus, also all das stand noch vor. Und die hatten das teilweise schon. Und dort schrieben mir dann anderen mit Mitte 20-jährige, und sagten: „Oh, du sprichst mir aus der Seele.“ Und dann hatte ich zum Ersten Mal Austausch mit Gleichgesinnten und zum Ersten Mal das Gefühl, dass mich jemand versteht.
Karina:
Du bist auch relativ schnell zu einem Influencer geworden so in der MS-Welt, also du hast super viele Follower. Hattest du irgendwie auch einen Background im Bereich Medien oder hast du einfach ein Naturtalent?
Kevin:
Nein, beides nicht. Ich habe ja gerade erwähnt, ich habe zuvor mit YouTube schon angefangen. Wenn man sich mein allererstes YouTube Video angeguckt, da stehe ich wie ein 6-jähriger, der vor der Klasse ein Referat halten muss. Ganz aufgeregt, zitternd, nervöse Stimme, sehr unprofessionell. Ich habe damals schon versucht, so Comedyvideos zu machen und bin da immer besser drin geworden. Mit jedem Video habe ich mir vorgenommen, ich mache eine Sache besser als im letzten Video. Und zu dem Zeitpunkt habe ich schon ein Jahr YouTube Videos gemacht und bin damit dann gewachsen und habe dann auch das Reden gelernt, also frei zu sprechen. Und ja, das hat mir sehr geholfen dabei. Ich habe zu dem Zeitpunkt einen neuen Job angefangen gehabt. Zuerst hat es mich zum Ordnungsamt verschlagen. Ich war kurz vor Hartz IV, also mein Arbeitslosengeld lief aus und dann hätte ich Hartz IV machen müssen. Also hat mein Vater mir über einen Kontakt eine Stelle vermittelt bei der Stadt. Das war mein Albtraumjob beim Ordnungsamt. Das Letzte, was ich machen wollte, wirklich.
Aber das war mir immer noch weniger unangenehm als Hartz IV. Und dann bin ich in die Health Care Branche quer eingestiegen. Über einen Zufall. Aber die Geschichte würde echt den Rahmen sprengen. Und habe dann dort gearbeitet, parallel das YouTube gemacht und bin auch noch nicht gleich MS Influencer geworden, sondern habe nach dieser Videoreihe – ich habe noch drei weitere Videos gemacht dazu, weil dann war für mich das Kapitel abgeschlossen – und da sagte schon ein Freund zu mir: „Kevin verfolg das. Mach das. Du bist die Stimme für diese Bubble. Und ich habe damals noch gesagt: „Nee, also wenn ich YouTuber werden möchte, dann will ich halt irgendwie Comedy YouTuber werden und da erreiche ich viel mehr Leute.“ Wie viele Menschen mit MS erreiche ich dann schon? Ich will auch nicht jeden Tag darüber nachdenken und darüber reden. Das soll mich nicht täglich verfolgen. Ich mache mein Comedyding weiter und dann habe ich bestimmt noch ein 3/4 Jahr oder Jahr weiter mit den Comedyvideos gemacht, bis dann die Zeitung auf dieses Video aufmerksam wurde, die über mich dann einen Beitrag verfasst hat. Das hat die DMSG dann gesehen, weil das auch in Niedersachsen war die Zeitung. Die hat mich dann kontaktiert und dann haben wir ein Konzept ausgearbeitet, wie ich meine MS-Themen auf deren Kanal spielen kann. Wir haben dann gemeinsam die DMSG Community auf YouTube gegründet und dann konnte ich dort über MS reden, aber habe auf meinem privaten Youtubekanal meinen Quatsch weitergemacht. Und dann habe ich irgendwann aber gemerkt, ich mache nur noch das mit der MS. Aber das war auch, da liegen jetzt Jahre dazwischen. Also es war wirklich alles sehr komprimiert zusammengefasst.
Karina:
Hat denn das ganze öffentliche Engagement auch irgendwie negative Auswirkungen gehabt, zum Beispiel auf deinen Job oder auf die Beziehung? Also da gibt es ja immer noch diese Vorurteile gegenüber Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, dass die irgendwie im Job nicht so produktiv sind wie Leute, die gesund sind und auch in der Beziehung, ist generell nicht ganz so einfach mit Krankheit und Behinderung. Hast du so was auch erlebt oder haben alle nur positives Feedback gegeben?
Kevin:
Ich habe das ganz, ganz große Glück, muss ich sagen, dass ich überwiegend positive Erfahrungen gemacht habe seit meiner Diagnose. Die Angst davor, dass ich benachteiligt werden könnte, war viel größer als die Realität. Ich weiß, dass es unheimlich viele Menschen gibt, die benachteiligt werden. Ich habe das Glück, dass es nicht so ist. Also meine damalige Freundin, die hat mich die ganze Zeit unterstützt, trotz der Krankheit. Die hätte mich auch wegen der Krankheit nie verlassen. Wir hatten andere Probleme. Und im Job war es so, dass ich sogar wegen meiner Krankheit eigentlich eingestellt wurde. In dieser Health Care Branche, wo ich quer eingestiegen bin – ich bin eigentlich gelernter Veranstaltungskaufmann und bin dann in einem Home Care Unternehmen gelandet. Wie gesagt, diese Geschichte, es würde den Rahmen sprengen. Auf jeden Fall hat mein damaliger Chef, den ich da kennengelernt habe, zu mir gesagt: „ich baue hier gerade meine Abteilung auf, wo wir Menschen zu Hilfsmitteln am Telefon beraten. Und wer könnte denn besser chronisch Erkrankte oder Menschen mit Behinderungen und Krankheit beraten als jemand, der das selber hat?“ Also würde ich dich gerne in mein Team holen. So war meine MS ein Vorteil für mich in diesem Job.
Karina:
Ja, das ist schön. Ich meine, es ist bei mir irgendwie auch ähnlich. Ich meine, ich beschäftige mich ja im Endeffekt den ganzen Tag nur mit chronischer Krankheit und Behinderung. Deswegen habe ich da auch noch nie einen Nachteil draus gehabt. Aber ich wüsste jetzt nicht, wenn ich irgendwie noch in meinem alten Job wäre ist, ob ich da meine Krankheit wirklich offen gelegt hätte. Die MS ist ja auch hauptsächlich unsichtbar, meistens. Also die Symptome. Also theoretisch haben wir das Privileg, dass wir unsere Erkrankung verstecken können und nicht offenlegen müssen, wenn wir nicht wollen.
Kevin:
Zu einem gewissen Grad. Also wenn es sich jetzt körperlich auf die Beine schlägt oder ich eine Spastik oder einen Tremor kriege, dann ist das was anderes. Aber ja, momentan ist alles eher unsichtbar.
Karina:
Ja, deswegen habe mir da auch lang überlegt, ob ich es wirklich sagen würde, wenn ich es nicht müsste in einem anderen Beruf. Also ich finde es relativ schwierig.
Kevin:
Es gab einen Moment, wo ich dachte, jetzt kommen die Nachteile. Ich habe diesen Job in der Health Care Branche nach vier Jahren verloren und ganz unerwartet von heute auf morgen. Und dann stand ich ja im Internet mit all dem. Ich habe den Job schon gehabt, als ich das erste Video gemacht habe und habe mich sicher gefühlt, weil mein Chef hat mich ja dafür eingestellt und ich hatte einen Festvertrag. Und ich war jetzt nicht einfach so kündbar, weil wie gesagt unbefristet der Vertrag und so. Ich habe mich sehr sicher gefühlt. Und dann war ich aber auf einmal da und dann dachte ich: „Oh, war das jetzt schlau, darüber offen zu reden?“ Weil wenn ich mich jetzt wieder bewerben muss, dann muss man nur einmal googeln und man findet meinen Namen sofort in Verbindung mit der MS. Das war eine Zeit, diese drei, vier Monate, die ich arbeitslos war, wo ich wirklich Angst hatte, dass ich benachteiligt werden könnte. Aber auch da war es mein Vorteil, denn ich bin jetzt Social Media Manager. Jetzt mache ich das tatsächlich beruflich, also dieses ganze Influencer und so, das ist jetzt mein Job irgendwie.
Und da ich für die DMSG die ganzen YouTube Videos gemacht habe und deren Facebook-Account gepflegt habe, das habe ich nie gelernt. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir alles selber beigebracht. Aber mit dieser Erfahrung habe ich dann meinen heutigen Job bekommen, weil ich sagen konnte ja, ich habe das nicht gelernt. Ich habe das auch nicht studiert, aber ich habe mir das selber beigebracht und so habe ich meine heutige Stelle bekommen. Und mein Chef hat auch gesagt Hey, du hast halt MS, aber wir können über alles reden.
Karina:
Das mag ich. Und vor allem es klingt so ein bisschen, als hätte sich das alles einfach so schön gefügt, wie es eigentlich selten ist mit einer chronischen Krankheit, dass Dinge einfach funktionieren.
Kevin:
Manchmal habe ich echt das Gefühl, mein Leben ist eine Sitcom und alles ist vorgeschrieben, weil es manchmal zu gruselig ist, wie das eine dem anderen die Tür in die Klinke gibt oder die Hand, in die… Ich weiß nicht. Ich kenne mich mit Sprichwörtern so schlecht aus.
Karina:
Die Klinke in die Hand oder so glaube ich.
Kevin:
Danke. Das geht nahtlos ineinander über.
Karina:
Okay, jetzt will ich aber hier mal. Also wir haben schon ganz viel über deine Ex geredet, aber jetzt bin ich neugierig und würde gern mal über deine jetzige Partnerin reden, wenn du das möchtest. Weil du postest diese unfassbar romantisch kitschigen Bilder auf deinem Account. Magst du mir erzählen, ob du mit einer gesunden Partnerin lebst und wie das so ist mit einer – also falls sie nicht behindert ist – wie das funktioniert?
Kevin:
Ja genau. Wir haben uns auch kennengelernt und ich habe beim zweiten Treffen direkt gesagt, dass ich MS habe, weil wie gesagt, ich war ja überall zu finden mit der Krankheit. Sie hätte ja auch nur Facebook öffnen müssen oder mich googeln oder irgendwas in der Art und hätte es dann auch erfahren. Und ich habe das dann gleich gesagt. Sie hat auch einen medizinischen Beruf gelernt. Sie ist medizinische Fachangestellte und hat das eigentlich von Anfang an gar nicht als Problem gesehen, was auch wieder für mich unvorstellbar war, denn da habe ich wieder gelernt, all diese Sachen, die waren wirklich nur meinem Kopf. Niemand wird mich lieben mit der Krankheit. Ich werde sofort aussortiert. Ich gelte ja als potenzielles Risiko, sowohl im Job als auch in der Beziehung. Es war nie ein Problem, es war nur mein Kopf. Sie hat sehr früh gesagt: „Na ja, aber ich finde dich als Mensch interessant. Das, was in deiner Hülle steckt. Wenn diese Hülle irgendwann mal kaputt ist, dann bleibst du ja trotzdem der Mensch, der du bist. Und deine Hülle ist mir nicht wichtig, sondern deine Seele.“ So ungefähr hat sie es gesagt, um wieder kitschig zu werden. Und das hat mir gleich gezeigt, dass sie auch irgendwie die Richtige für mich ist. Wir sind jetzt über fünf Jahre zusammen und das funktioniert tadellos. Ich muss aber auch sagen, ich bin ja privilegiert damit, dass ich seit meiner Diagnose keine starken Schübe mehr hatte. Ich weiß nicht, ob ich vieles richtig mache, ob ich Glück habe, ob es die Medikamente sind, was auch immer. Aber ich habe nur kleine Probleme mit der MS gehabt. Bei mir war vieles eher psychisch, was mich belastet hat.
Karina:
Im Umgang mit der MS quasi?
Kevin:
Genau, genau. Ich weiß nicht, wie es jetzt wäre, wenn ich jetzt ein, zwei Jahre auf eine Gehhilfe, auf den Rollstuhl angewiesen wäre. Wie mein Leben sich dann verändern würde. Wobei ich auch da sage, die letzten Jahre haben mich so wachsen lassen. Das habe ich gemerkt, als ich wieder mit dem Sehnerv Probleme hatte. Und bei meiner ersten Sehnerventzündung hatte ich ständig Panik, dass ich auf beiden Augen blind werde, dass ich auf dem einen Auge nie wieder sehen kann. Und als es dann wiederkam, Jahre später, habe ich gleich gesagt: „Naja, aber ich habe ja noch ein Auge.“ Also da habe ich gemerkt, wie krass sich das verändert hat über die Jahre. Ich hatte gar keine Angst mehr. Ich habe ja noch ein Auge, wenn das nicht richtig geht. Ich sehe ja auch nicht gar nichts drauf. Ich sehe schlechter, aber nicht gar nicht. Und das wäre vor vielen Jahren überhaupt nicht möglich gewesen. Da wäre ich komplett in Panik geraten.
Karina:
Na ja, klar, ich meine, man lernt ja irgendwie dazu und man entwickelt Copingstrategien und so. Wie geht ihr denn als Paar mit deiner Erkrankung um, wenn du jetzt mal einen scheiß Tag hast? Gibt es da irgendwelche Tipps und Tricks, die du anderen Paaren geben kannst, die vielleicht auch mit MS oder anderen chronischen Krankheiten konfrontiert sind?
Kevin:
Ja, gerne. Das ist jetzt auch nichts, was irgendwie mindblowing ist oder das Rad neu erfindet. Das ist wahrscheinlich so wie „Toll, das wusste ich auch schon.“ Es ist einfach: drüber reden. Es ist einfach Kommunikation. Das ist der Schlüssel zu allem. Wenn ich irgendwelche Sorgen habe wegen der Krankheit, dann kommuniziere ich das gleich und sage: „Schatz, ich muss mit dir reden. Ich mache mir gerade unheimliche Gedanken darüber, was ist in unserer Zukunft zum Beispiel zum Thema Kinderkriegen.“ Ich bin nicht unbedingt hinterher Nachwuchs zu haben. Nicht mal wegen der Krankheit unbedingt. Aber wenn wir das doch wollen würden, wie wollen wir es machen? Was ist, wenn ich ausfalle? Was ist, wenn ich berufsunfähig werde? Wie wollen wir vorsorgen, dass wir nicht in die Armut reinrutschen und dann ein dreijähriges Kind irgendwie noch durchkriegen müssen? Also es sind alles Themen und Sorgen und Ängste, die ich dann habe. Die spreche ich aber einfach an. Früher hätte ich die mit mir selbst ausgemacht und mir gedacht: „Okay, das ist nicht das Problem meiner Freundin.”
Und das Thema ist wirklich einfach drüber reden. Auch wenn ich sage, ich habe zu viel Stress. Meine Freundin ist halt unheimlich unterstützend und auch eine Person, die sich selber eher zurücknimmt und an zweite Stelle stellt und die Menschen, die sie liebt an erste Stelle stellt. Ich sage auch ganz oft, dass das auch nicht immer richtig ist, sondern sie auch gerne mal an erster Stelle stehen darf und sollte, weil ihr Leben genauso wichtig ist wie meins. Aber sie ist vom Wesen einfach so, dass sie glücklich ist, wenn es mir gut geht. Und von daher nimmt sie sich häufig zurück. Und wenn ich sage: „Ich habe so viel Stress, ich habe Angst, dass das auf meine Krankheit schlägt“, dann ist sie eher so, dass sie sagt: „Okay, wie kann ich unterstützen, was kann ich machen, wo kann ich zurückstecken, dass ich dir helfen kann?”
Karina:
Es ist schön, wenn man auch mal positive Geschichten hört. In der Community hört man ja ganz viel von Leuten, bei denen die Beziehung auseinandergeht, wegen Krankheit und von ganz, ganz schweren Schicksalsschlägen. Da ist es ja auch einfach mal schön das Gegenteil zu erfahren.
Kevin:
Ich kann dir ganz viele gegenteilige Geschichten nennen. Ich habe eine Lieblingsgeschichte. Zwei Sekunden geht die nur. Frau, MS, im Rollstuhl. Viele Jahre schon. Mann, keine Behinderung, keine Krankheit, nichts. Lernen sich in der Bar kennen und ihre Personality hat ihn so begeistert, dass die nicht nur zusammengekommen sind, sondern auch geheiratet haben. Also das war für mich immer sehr krass. Also als Fußgänger mit nem Rollstuhlfahrer, das habe ich mir damals, als meine Diagnose frisch war, nie vorstellen können. Ich hoffe, ich trete jetzt niemandem auf die Füße. Aber das waren halt meine Gedanken. Wenn ich im Rollstuhl bin, wird mich niemals eine Fußgängerin nehmen. Aber doch, auch das geht. Und das finde ich immer eine sehr motivierende Geschichte.
Karina:
Na ja, das ist halt der Ableismus, den man sich verinnerlicht hat. Also, das ist wie quasi die Mehrheitsgesellschaft über Behinderung denkt, ist, dass Leute, die behindert sind, vor allem halt sichtbar behindert mit Rollstuhl oder so, dass die nur andere Rollstuhlfahrer daten können, was völliger Bullshit ist, weil am Ende vom Tag ist es auch nur eine Eigenschaft und macht die Person ja nicht aus.
Kevin:
Ist ja auch völlig richtig. Das war auch eine völlig falsche Ansicht von mir. Aber ich wusste es damals nicht besser, weil meine Berührungen mit Menschen mit Behinderung waren mit 24 null. Ich war auch einfach nur irgendwie irgendeiner, der sich nicht informiert hat und deswegen heute auch gerade so viel Aufklärungsarbeit macht, damit auch die Gesellschaft einfach einen besseren Umgang mit Patienten und Patientinnen hat.
Karina:
Erzähl mir mal, jetzt mal unabhängig von den Stereotypen über Behinderung und chronische Krankheit. Aber es gibt ja auch gewisse Stereotypen über Männer, die man so erfüllen soll. Also der starke Mann, der keine Schwäche zeigen darf, der die Brötchen verdient und der ganze Quatsch. Hat dich das auch beeinflusst als du dann chronisch krank wurdest, dass du damit zu kämpfen hattest diese Klischees immer erfüllen zu müssen als Mann?
Kevin:
Zu meinem Erschrecken habe ich festgestellt, dass es so ist. Also ich bin sehr – das ist vielleicht die falsche Formulierung – femininer Mann. Ich bin ein sehr gefühlsvoller Mann. Ich habe viel Einfluss von meiner Oma bekommen, die mich sehr geprägt hat als Frau. Und ich habe schon immer großen Respekt vor Frauen. Und ich habe mich auch schon immer, auch als Kind, lieber mit Frauen als mit Männern umgeben. Ich habe auch schon lange davor immer lieber Freundschaften zu Frauen gepflegt. Intensive Freundschaften, wo man so über alles reden kann, als mit anderen Männern. Als mit meinen Jungs sozusagen. Und von daher war ich auch nie jemand, der gerne in Rollenklischees gedacht hat. Nach dem Motto: die Frau zu Hause, der Mann arbeiten, die Frau, die Kinder, der Mann bringt Geld nach Hause. War ich überhaupt gar kein Freund von und bin ich auch heute nicht. Aber zu meinem Erschrecken habe ich festgestellt, dass auch ich mich unheimlich schwach und untergeordnet gefühlt habe in meiner damaligen Beziehung. Als die Diagnose kam, dass meine Freundin dann arbeiten gegangen ist, aber ich in ihrer Wohnung gelebt habe und nicht zur Miete beigetragen habe. Mit meinem Arbeitslosengeld habe ich dann zwei Einkäufe im Monat gemacht und habe dann mal für 200 € den Kühlschrank voll gemacht. Das war’s. Und da habe ich gemerkt, dass das sehr stark an mir und meinem Ego genagt hat, dass ich mich noch schwächer gefühlt habe, als ich mich allein schon nur mit der Diagnose gefühlt hätte. Und das hat mich ein Stück auch erschrocken, aber hat mich auch vieles über mich lernen lassen. Und ich habe dann auch gemerkt Gut, ganz frei von den Rollenklischees bin ich nicht, weil ich als Mann doch gerne auch irgendwie ein sicherer Hafen wäre. Dass auch meine Freundin mal schwach sein kann, wenn sie das möchte. Und das Gefühl hatte ich nicht mehr. Und dann gab es auch Reibereien, die dann… Also heute weiß ich das. Früher war das unterbewusst, dass es dann Streitpunkte gab, die darauf basiert haben. Aber ich konnte es gar nicht formulieren oder denken und ich habe einfach nur diese Emotionen gehabt, Aber ich konnte sie nicht in Worte fassen.
Karina:
Wie bist du dann damit umgegangen bzw. wie bist du da wieder raus kommen und hast gelernt umzudenken?
Kevin:
Das ist eine sehr gute Frage. Das ist die erste Frage, die ich gar nicht jetzt sofort beantworten kann wie aus der Pistole geschossen, weil ich glaube, dass das eher ein schleichender Prozess war, der sich über die Zeit ergeben hat. Und ich glaube, auch über die vielen Jahre mit MS, die mir gezeigt haben, dass das, was ich darüber dachte, jetzt gar nicht der Fall ist. Auch heute möchte ich immer noch ein sicherer Hafen sein. Oder anders gesagt: Meine größte Angst ist eigentlich nur, anderen Menschen zur Last zu fallen. Ich will meiner Partnerin einfach nur nicht Probleme machen. Ich möchte, dass sie ihr Leben leben kann und ihre Träume und Ziele nicht aufgeben muss, weil sie zum Beispiel jetzt alles aufopfert, um mich zu pflegen. Das ist eher mein Problem heutzutage. Das möchte aber auch, wenn ich mit meinem besten Freund zusammen leben würde oder bei meinen Eltern wohnen würde, ich will niemandem zur Last fallen. Das hat weniger was damit zu tun, dass meine Freundin jetzt eine Frau ist. Ich glaube einfach, um die Frage irgendwie halbwegs zu beantworten: ich denke, mit der Zeit bin ich irgendwie aus dem Denken rausgewachsen und die Erfahrungen, die ich gemacht habe, haben mir einfach gezeigt, dass das alles nicht richtig ist, was ich gedacht habe.
Karina:
Aber du weißt ja, dass du auch keine Last für Menschen bist oder? Und wenn die sich entscheiden, dass die dich pflegen wollen oder eben nicht, ist das auch ohnehin nicht deine Entscheidung, sondern deren.
Kevin:
Das ist ein guter Impuls. Und da sind wir wieder bei: Ich bin nicht perfekt. Du sagst das. Und ich weiß, dass du absolut recht hast mit dem, was du sagst. Und trotzdem möchte ich es nicht zu 100 % annehmen.
Karina:
Ja, und ich verstehe es, weil ich denke genauso. Also ich kann dir zwar sagen, dass das Quatsch ist, was du denkst, aber ich fühle mich genauso. Verstehst du was ich meine?
Jetzt erzähl mir mal, wie du das überhaupt alles hinkriegst. Also du bist ja super aktiv auf Social Media. Außerdem machst du Events, dann hast du einen Fulltimejob, dann hast du eine Beziehungen. Wie ist das alles miteinander vereinbar? Wie managst du den ganzen Stress?
Kevin:
Der Balanceakt zwischen Burnout und Erfüllung? Ich weiß es nicht. Ich. Ohne mich jetzt selbst in den Himmel zu loben. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich das alles hinkriege. Ich weiß aber auch zeitgleich, dass das eigentlich nicht immer richtig ist, dass ich gerade sehr viele schöne Momente auch nicht wahrnehmen kann für all das, aber ich auch akzeptiert habe, dass das die Dinge sind, die mich irgendwie erfüllen. Es ist total schwierig zu sagen. Es ist ja das längst nicht alles. Ich habe ja den Fulltimejob. Ich hatte lange Zeit diese Nebenbeschäftigung bei der DMSG. Ich habe dann noch in 2020 ein Gewerbe aufgenommen und bin noch selbstständig. Ich habe jetzt meine Beziehung, meinen Welpen, den ich noch nebenbei auch erziehen muss. Dann mache ich mein Social Media, was mich locker 20 bis 30 Stunden die Woche kostet, was einfach eine Teilzeitstelle ist. Livestreams, dann noch für andere Menschen da sein. Ich telefoniere mit anderen Betroffenen, wenn ich es noch irgendwie schaffe. Ich drehe Videos. Ich weiß es nicht, wie ich das schaffe.
Ich glaube, darunter leidet zum Beispiel mein Freundeskreis. Ich habe nicht mehr viele Freunde im echten Leben, also schon noch, aber ich sehe sie nicht. Das leidet darunter. Meine Freundin hat auch noch einen Nebenjob. Das spielt mir ein bisschen in die Karten, weil sie dann auch zweimal die Woche noch nach der Arbeit weg ist. Und dann nehme ich die Zeit, um für mich zu arbeiten. Ich habe keine Wochenenden mehr seit anderthalb, zwei Jahren. Ich habe vielleicht mal einen Samstag ab 16:00 dann frei oder gönn mir dann irgendwann mal einen Sonntag, so nach drei Wochen, wo ich mal nichts mache. Und ich stehe zwei Stunden vor der Arbeit auf und mache dann schon was. Und ich mache um 17:00 pünktlich Feierabend. Ich bin der einzige in der Firma, der keine Überstunden hat und bin dann meist noch bis 21:00 beschäftigt. Ach ja, und ich gehe auch noch ins Fitnessstudio, dreimal die Woche.
Karina:
Okay, jetzt fühle ich mich halt echt schlecht.
Kevin:
Nein, das soll niemand. Wie gesagt, es ist auch nicht gesund. Also mit meiner Krankheit ist das eigentlich dumm, was ich mache. Aber ich habe einfach so ein gewisses Ziel.
Karina:
Ich bin absolut… Hut ab. Ich wüsste nicht, ob ich das hinkriegen würde. Jetzt erzähl mir mal noch von den Events, die du machst. Du hast letztes Jahr ein großes Event geplant? Erzähl mir mal davon.
Kevin:
Das hat dieses Jahr im Sommer stattgefunden und ich bin gerade in der Planung für den Sommer im kommenden Jahr. Das ganze nennt sich Kämpferherzentreffen basierend auf meinem Social Media Account Kevin Kämpferherz. Ich hatte mal Nachrichten bekommen von Leuten aus meiner Community, dass sie mich gerne mal in echt treffen würden. Da habe ich gesagt: „Klar, gerne. Komm doch irgendwann mal nach Kassel im Sommer. Wir gehen in Park, ich hol den Grill, ich lade euch ein. Wir setzen uns dann einfach mit ein paar Decken in den Park und grillen gemeinsam.“ Da dachte ich, das sind so zehn Leute. Als ich darüber gesprochen habe, habe ich mehrere 100 Nachrichten bekommen, dass noch weitere Personen daran Interesse hätten. Und dann habe ich mir gedacht: „Ja, gut, dann kriege ich ein Problem mit der Stadt, weil das ist ja Versammlungsstättengedöns und dann muss ich das ja anmelden und wir können nicht alle in Park gehen und grillen. Eigentlich kann ich so viele Grills gar nicht kaufen. Und dann habe ich weitergedacht und habe gesagt, das war auch in der Zeit, wo ich meinen Job verloren habe. 2019 kam die Idee schon auf, dass ich gesagt habe, ich möchte daraus eine Veranstaltung machen, die anderen Menschen Mehrwert gibt. Und weil ich mit einigen auch in der Community immer wieder schreibe, die mir dann mitteilen, dass sie sich manche Sachen nicht leisten können, nicht mal einen Filmabend mit einer Pizza, weil sie Frührente bekommen und von 380 € Monat leben müssen, habe ich gesagt, okay, das muss so günstig wie möglich werden für die Teilnehmenden und soll den größten Mehrwert bieten. Also habe ich nach Sponsoren gesucht, die quasi die Kosten tragen. Habe einen sehr niedrigen Ticketpreis von 15 € gewählt. Mal andersrum gesagt, hätte ichs über Tickets regeln wollen, hätte jeder mindestens 150 bis 200 € für ein Ticket ausgeben müssen, damit es sich hätte finanziert.
Wir haben zwölf Workshops angeboten, basierend darauf, was ich in meinen Livestreams, die ich auf Social Media mache, so von Feedback bekomme, dass mir Leute mitteilen: Ich weiß gar nicht, wie ich den Antrag auf Schwerbehinderung ausfüllen soll. Der ist so kompliziert. Oder andere sagen mir: Ich krieg ja eh keine Versicherung mehr abgeschlossen jetzt mit meiner Krankheit. Und andere wiederum: Ich nehme so zu, seitdem ich im Rollstuhl bin. Ich weiß gar nicht, wie ich noch Sport machen soll oder abnehmen kann. Die anderen fragen dann wieder: Wie soll ich mich überhaupt ernähren mit einer chronisch entzündlichen Erkrankung? Ich habe gehört, dass Schweinefleisch zum Beispiel nicht gut ist. Und dann habe ich mir all diese Probleme über die ganze Zeit aufgeschrieben und habe dann dafür Lösungen gegeben, indem ich gesagt: Wir machen Workshop von jemanden, das war so cool, die hat selber MS, arbeitet aber am Versorgungsamt und hat dann eine Präsentation gemacht, wie ich den Antrag auf Schwerbehinderung richtig ausfülle und alle die damit Probleme hatten, konnten da mitschreiben. Und ich hatte jemanden dort, die ist Ernährungsexpertin und hat auch MS und hat über antientzündliche Ernährung einen Vortrag gehalten. Wir hatten einen Workshop zu MS und Sexualität. Wie kann ich das Sexualleben am Laufen halten, trotz verschiedener Einschränkungen? Und es waren zwölf Workshops an der Zahl, die alle so in die Richtung gingen, nicht nur MS bezogen. Also wir haben wirklich das Motto gehabt „Stark für alle mit Schicksalsschlag“. Wir hatten Personen mit Rheuma dort, mit Krebs, mit Querschnitt, mit Depression. Wir hatten ein großes Thema zu mentaler Gesundheit auch gehabt, Stoma, Darm, Krankheiten, Morbus Crohn. Also all diese verschiedenen Themen haben wir auch versucht abzudecken und das war sehr erfolgreich. Wir hatten mit 400 Gästen geplant, schlussendlich waren wir über 600 Teilnehmende auf dem Event.
Wir hatten eine wunderschöne Abendveranstaltung, die auch von Betroffenen durchgeführt wurde. Auch da wieder eine Patientin, die ihren Traum zu singen durch die Krankheit aufgegeben hat und zu der ich gesagt habe: „Du singst so schön, irgendwann baue ich dir die Bühne, die dir zusteht.” Und das klingt vielleicht sehr pathetisch, aber ich habe es drei Jahre später eingehalten und habe sie angerufen und gesagt: Hier, Ariana, ich möchte dich gerne singen haben. Es werden wahrscheinlich 200, wenn nicht sogar 400 Leute im Publikum sitzen. Und sie hat gesagt: „Ich hab noch nie vor mehr als drei Leuten gesungen.“ Aber das ist die Bühne, die dir zusteht. Die hast du verdient. Und das war so emotional. Wir haben alle auf dieser Bühne… Ich habe ja hinter ihr gesessen und wir haben geheult. Wir haben Rotz und Wasser geheult. Und jetzt muss ich noch ganz kurz abschließend sagen: Wer sind wir? Dass ich das nicht alleine schaffe, ist klar. Das ist eine Hausnummer gewesen. Das ist unglaublich. Es hat mir zugute gespielt, dass ich ja, wie anfangs erwähnt, Veranstaltungskaufmann gelernt habe und das schon irgendwie kann. Aber schlussendlich habe ich auch über Instagram einen Aufruf gemacht: Wer möchte mich unterstützen? Dann sind über 30 Personen zusammengekommen mit verschiedenen Spezialitäten, genau als wäre es eine Pizza… Mit verschiedenen Spezialfähigkeiten oder Spezifikationen. Es ist spät… Also jeder konnte etwas besonders gut, will ich damit sagen. Und dann hatte ich ein Team auf einmal und die einen haben sich um das Programm gekümmert, die anderen haben den Einlass geregelt, die anderen haben mit Referenten gesprochen. Und so habe ich ein Team von 30 Personen gehabt, die mich bei dem ganzen Treffen und der Orga unterstützt haben. Alles selber Menschen mit Krankheiten und Behinderung.
Karina:
Hey, das nächste Mal musst du mir auch Bescheid sagen, weil ich finde die Idee total cool so eine Brücke zu schlagen zwischen den chronischen Krankheiten, weil wir halt trotzdem so viele Gemeinsamkeiten haben. Und ich würde total gern zu der Veranstaltung kommen.
Kevin:
Du bist herzlich eingeladen am 22.07.2023. Da planen wir in Kassel das nächste Kämpferherzen treffen. Wir in Kassel das nächste Kämpferherzen treffen. Aktuell befinden wir uns noch in der Findung von Sponsoren. Erneut, damit das finanziert werden kann, denn unsere Kosten haben sich verdreifacht durch zum einen die Krise, aber auch durch, weil ich jetzt meine Helfenden gerne entlohnen möchte und deren Anreise bezahlen möchte. Die sind alle auf eigene Kosten gekommen. Die haben teilweise mit Hotel und Anfahrt 300 € Kosten gehabt an dem Tag und das möchte ich im nächsten Jahr den gerne erstatten. Und deswegen befinden wir uns gerade noch in der Sponsorenfindung. Und wenn das funktioniert, dann 22.07.23 und du bist herzlich eingeladen mit Gästeliste.
Karina:
Vielleicht lade ich mir hier noch ein paar Leute aus meiner Community ein und dann können wir da ein riesiges Event draus machen. Das wäre cool.
Kevin:
Das wäre richtig toll.
Karina:
Du hast mir vor zwei Wochen oder so mal erzählt, dass es Leute gibt, die sich da dein Tattoo stechen lassen, was ich einerseits ziemlich beeindruckend finde, aber gleichzeitig klingt es auch nach einem Kult.
Kevin:
Ich sage auch immer: “Meine Sekte.” Bei Vollmond um 0 Uhr trinken wir alle vom dem Punsch, den ich vorbereitet habe.
Karina:
Wie kam es dazu? Und wie fühlt sich diese Art von Aufmerksamkeit an?
Kevin:
Das ist sehr verrückt. Also ich muss vorweg sagen, ich habe niemanden dazu motiviert, dass er oder sie sich ein Tattoo sticht.
Karina:
Sagt der Kultleader… (Lacht)
Kevin:
(Lacht). Ja, die Scientology kann bald einpacken, sage ich dir. Das hat angefangen, dass ich für die Kämpferherzen, dass sich dort irgendwie mal was gewünscht wurde, wie kannst du nicht mal T-Shirts machen, das uns alle so verbindet, dass man was hat, was unsere Community darstellt. Dann habe ich mir mal so ein Logo ausgedacht, dann habe ich T-Shirts gemacht und Tassen. Und dieses Logo fanden so viele Leute so schön, dass sie mich angeschrieben haben: Kevin gibt es das eigentlich auch als Vorlage für ein Tattoo? Kannst du mir das schicken? Ich sage okay, können wir gerne machen. Und dann habe ich es einer Person geschickt und die hat das dann echt durchgezogen. Dann fand ich das so krass und habe das auf Instagram geteilt und gesagt: „Guck mal, wie krass sie ist.“ Und auf einmal haben sich unheimlich viele weitere Menschen gemeldet, die das haben wollten und dann waren es schon so 10 oder 15, die sich das haben in einem Zeitraum von ein, zwei Jahren stechen lassen und dann auf dem Kämpferherzentreffen oder kurz davor habe ich wieder sehr viele Nachrichten bekommen von Leuten, die auch voll Bock auf ein Tattoo hätten, aber es sich nicht leisten können. Weil Tattoos kosten ja auch meistens so um die 100 € mindestens. Und dann habe ich gesagt: „Wisst ihr was? Ich organisiere uns Tätowierer, Tätowiererin, die kostenlos, also auf meine Kosten. ich habe dann bezahlt, Tattoos stechen und so haben wir es geschafft, mit zwei Tattoowierern 18 Tattoos in acht Stunden zu stechen. So konnte ich 18 Menschen kostenlos so ein Kämpferherztattoo schenken. Das war schon echt sehr, sehr cool und es standen in der Schlange 40 Leute übrigens. Und nach 18 mussten wir die Liste zumachen, weil wir gesagt haben: „Wir schaffen nicht mehr, wir haben nur acht Stunden.“ Die Tätowierer müssen auch mal was essen und trinken. Das ist schon crazy.
Karina:
Ja, hast du auch so ein Tattoo?
Kevin:
Ach ja und wie fühlt sich das an. Noch nicht. Aber ich werde es mir definitiv machen, weil es einfach… Selbst wenn das Ganze morgen enden würde, dann ist es einfach die letzten vier Jahre eine Reise gewesen, die ich nie vergessen möchte. Und dafür werde ich es schon tun. Und wie fühlt sich das an? Das hast du noch gefragt? Nicht greifbar, weil. Für mich hätte… Also ich würde mir so ein Tattoo stechen von jemand, den ich anhimmele. Keine Ahnung. Damals Robbie Williams oder so. Da gibt es schon Leute, die haben ein Robbie Williams Tattoo oder von ihrer Lieblingsband. Aber das sind dann Personen oder Gruppierungen, die sind weltweit bekannt, haben Millionen von Fans oder so. Und ich bin irgend so ein Kevin aus Kassel mit gerade mal 7000 Follower*innen. Und das ist für mich nicht real. Ich kann es mir nicht vorstellen. Es gibt einfach wirklich Bands da draußen, die deutschlandweit bekannt sind, aber bestimmt nicht ein Mensch in ganz Deutschland tätowiert sich das, aber von mir. Und einen Witz muss ich noch zum Abschluss bringen. Passt immer auf, dass ich nicht irgendwann durchdrehe und irgendwann keine Ahnung anfange, hier Sachen aus dem zweiten Weltkrieg zu leugnen. Dann guckt ihr alle euer Tattoo an und bereut das aber mal ganz schnell.
Karina:
Das ist exakt meine Regel. Ich werde mir nie Tattoo stechen lassen mit dem Namen von irgendeinem Partner und nie mit einem Namen von irgendeiner Person, die noch lebt, weil da immer das Risiko besteht, dass die irgendwann Scheiße baut. Aber die Tatsache, dass sich diese Leute, die deine Follower sind, ein Tattoo stechen lassen, obwohl sie dich wahrscheinlich jetzt auch nicht super intensiv kennen, ist schon… Also ich finde, es ist ein riesiges Kompliment. Auch ein bisschen.
Kevin:
Ja, ist es.
Karina:
Also ich würde es nicht machen, aber ich finde es gut, wenn es Leute machen.
Kevin:
Man muss dazu sagen, dass es ja nicht um mich allein geht. Also klar, es ist alles Instagram, Social Media, Selbstverherrlichung. Aber ich habe ja etwas geschaffen, worauf ich sehr stolz bin. Das ist eine Community, die auch losgelöst von mir funktioniert. Wenn ich einen Livestream mache, dann rede ich da von mir oder mit einem Gast. Aber in diesem Livestream, in dem Chat reden die Leute auch untereinander miteinander. Da stellen sie sich Fragen. Auf die hab ich keine Antworten, die beantworten sie sich. Und dieses Kämpferherzen, das symbolisiert ja viel mehr. Das ist ja für die wirklich dieses durch schwere Zeiten gehen. Aber das Kämpferherz in der Brust haben und einfach nicht aufgeben. Und ob es mich dazu gibt oder nicht, das Kämpferherz losgelöst von mir zeigt ja einfach nur: Ich habe ein Kämpferherz und ich gehe durch schwere Situationen. Da brauchst du mich gar nicht für. Und ich glaube, die machen das nicht und gucken rauf und denken „Ah, Kevin“, sondern die gucken drauf und denken „Ich habe ein Kämpferherz, ich bin stark.”
Karina:
Ja, ich meine, davon gehe ich aus. Das steht halt einfach für die ganze chronische Krankheit und für alles, was du erlebst und so was. Und gibt wahrscheinlich einfach Kraft an schlechten Tagen, aber trotzdem, es ist immer noch deine Idee.
Kevin:
Ja, stimmt schon, es ist trotzdem bisschen creepy. (Lacht)
Karina:
(Lacht).
Kevin:
Ja, trotzdem. Aber es ist auch sehr cool. Ich glaube, wenn ich jetzt noch am Sterbebett liegen würde und jemand fragt mich, was denn die fünf coolsten Dinge wären, die ich erlebt habe, dann würde ich auf jeden Fall sagen, die Leute haben sich mein Logo gestochen. Das war schon krass.
Karina:
Was sind denn die fünf coolsten Dinge in deinem Leben bisher?
Kevin:
Zum einen das Kennenlernen meiner Partnerin, die ich wirklich über alles liebe. Das war meine Reise nach Japan, was mein größter Lebenstraum ist, seit ich ein kleines Kind bin. Der Schritt in die Selbstständigkeit, dass ich an mich glaube, weil ich sehr viele Jahre nicht an mich geglaubt habe, auch vor der Krankheit nicht und immer alles sehr mit Vorsicht begonnen habe. Und dass ich jetzt noch mal so mutig geworden bin und immer erst sage, ich mach das lieber und falle damit auf die Schnauze, als es nicht zu machen und mich dann auf dem Sterbebett zu fragen: „Mist, was wäre eigentlich gewesen, hätte ich das damals ausprobiert?“ Das sind jetzt mal drei Sachen, dann halt das mit den Tattoos und die fünfte Sache, da würde ich gern länger drüber nachdenken, weil es in jetzt 31 Jahren so viel gibt, was ich erlebt habe. Und ich glaub, da ist noch etwas und das denke ich jetzt nicht.
Karina:
Das kannst du mir mal irgendwann in der Zukunft erzählen. In einem Follow up Podcast.
Kevin:
Gerne.
Karina:
Und um das Ganze abzuschließen – ich weiß, du musst auch gleich weg – wie geht es denn für dich weiter? Also privat, professionell und auch in deiner ganzen Advocacy Arbeit.
Kevin:
Ja, ich bin so ein bisschen gerade am dahintreiben lassen. Aber ich habe natürlich auch Ziele für die Zukunft. Ich würde das, was ich heute nebenberuflich mache, in den Abendstunden und am Wochenende, irgendwann mal gerne in die Woche packen können und dann mal wieder die Abendstunden und die Wochenenden frei haben. Von daher versuche ich das Ganze soweit zum Laufen zu bringen, dass ich irgendwann auch ein Stück weit davon leben kann. Aber jetzt kein klassischer Influencer zu sein und von dem Kauf von Produkten von meinen Followern angewiesen zu sein, sondern zum Beispiel das Kämpferherzentreffen so von mir loszulösen, dass es wie eine Reha Care zum Beispiel funktioniert, also ein jährlich stattfindendes Event, wo die Leute auch hingehen, einfach um sich zu informieren und sich auszutauschen, sich kennenzulernen, losgelöst von mir als Person, sondern einfach, dass dieses Event jährlich funktioniert, dass das dann auch profitabel wird. Nicht um mir den Porsche zu kaufen, sondern einfach um meine Lebenshaltungskosten davon zu tragen. Und in meinem Hauptberuf, den ich auch sehr liebe und eigentlich ungerne kündigen möchte, weil ich sehr froh an meinem Arbeitsplatz bin, den aber zumindest zu reduzieren oder halt irgendwann komplett selbstständig zu sein, einfach um mehr Zeit in das zu stecken, für das ich brenne. Und zum Beispiel Social Media macht mir einfach Spaß. Ich mache das ja hauptberuflich, weil das vorher ein Hobby war und ich würde gerne meine Community denen noch viel mehr Mehrwerte bieten, aber ich schaff’s einfach nicht. Ich bin also schon an meinen Grenzen. Ich kann seit einem Jahr meine Nachrichten nicht mehr beantworten, weil ich am Tag 20 bis 50 Nachrichten kriege und es brennt mir in der Seele, wenn dann Leute mir schreiben unter Tränen, dass sie grad die Diagnose bekommen haben und Hilfe brauchen und ich das angefangen habe, um für diese Menschen da zu sein und die manchmal dann drei Wochen warten müssen, bis ich dann antworten kann, weil ich einfach 1500 ungelesene Nachrichten habe. Und wenn ich das aber, also wenn ich die Zeit hätte, dann würde ich unheimlich gerne das machen. Eigentlich tagsüber statt. Aber man kann nicht von Luft und Liebe leben und das ist für mich aktuell einfach noch kritisch, weil ich will nicht von diesen Menschen irgendwie in eine Art und Weise Geld nehmen oder das irgendwie so professionalisieren, weil es dann auch unsympathisch vielleicht wird oder nicht mehr so persönlich. Deswegen muss ich mir einfach Dinge überlegen, wie ich mit meiner Selbstständigkeit so gut leben kann, dass es mir Zeit frei räumt, um mehr für meine Community da zu sein. Und vielleicht auch für Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen irgendwas langfristig und nachhaltig zu verbessern. Das ist so ein Traum von mir. An dem arbeite ich hart.
Karina:
Und das klingt gut. Und ich fühle mich geehrt, dass du auf meine Nachricht geantwortet hast.
Kevin:
Aber ich glaub, du hast mich auch per Email kontaktiert. Da gehst du nicht so schnell unter wie bei Instagram.
Karina:
Gut zu wissen.
Karina:
Also ich bin absolut überzeugt davon, dass was auch immer du anfängst, ohnehin großartig wird. Ich bin ein Fan.
Kevin:
Dankeschön.
Karina:
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, mit mir zu sprechen. Ich hoffe, du hältst mich am Laufenden über alle deine neuen Projekte und vielleicht plaudern wir in Zukunft einfach nochmal
Kevin:
Sehr gerne. Ich freue mich auch, wenn ich den Podcast hier dann hören kann und danke an alle, die zugehört haben. Vielen Dank für eure Zeit, dass ihr unseren Worten gelauscht habt. Danke, dass du mich eingeladen hast. Wie anfangs schon erwähnt, das ist natürlich auch nicht selbstverständlich. Und danke, dass du mir so viel Zeit eingeräumt hast, über all das zu sprechen, was mir wichtig ist.
Karina:
Sehr gerne.
Kevin:
Auf bald.
[Outro]
Und wenn ihr mehr über Kevin erfahren wollt, dann folgt ihm doch auf Instagram unter: Kevin_Kaempferherz.
Und das wars auch schon wieder, mit der 6. Episode von Aches, Pains und Smiles. Ich würde mich freuen, wenn ihr beim nächsten Mal wieder reinhört! Bye!
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