Warum bin ich chronisch krank?
Gastbeitrag von Linda Steuerwald.
Die Frage nach dem Warum wenn man mit einer chronischen Krankheit lebt, begleitet uns fast täglich.
Ich frage mich:
Warum habe ich Schuppenflechte?
Warum muss sie dann gleich so stark ausbrechen?
Warum bricht sie bei einer Person aus und bei der anderen nicht, obwohl die Person sich nicht gesünder ernährt, gesünder lebt?
Warum gibt es überhaupt so etwas wie Krankheit?
Warum gibt es so viel Schmerz, so viel ‘Schlechtes’ in dieser Welt?
Warum habe ich Schuppenflechte, die genetisch bedingt sein soll und keiner in meiner Familie und Verwandtschaft hat sie?
Ich habe mir oft die Frage nach dem Warum gestellt.
Wir wollen die Welt verstehen. Wir wollen verstehen, wie die Dinge funktionieren, damit wir sie in einen Bezug setzen können, uns orientieren können, damit wir Halt finden und uns sicher fühlen und die Kontrolle über unser Leben ein Stück weit behalten. Alles was nicht greifbar ist, alles wofür wir keine Antwort haben, kann uns schnell Angst machen. Das Unbekannte macht uns unsicher.
Warum habe ich Schuppenflechte?
Als die Schuppenflechte bei mir ausbrach, verschrieb mir mein Arzt Cremes; später kamen dann Tabletten hinzu, weil die Psoriasis so stark war. Die hatten so starke Nebenwirkungen, dass ich sie schnell wieder abgesetzt habe. Danach sollte eine Mandeloperation die Lösung sein. Damals habe ich mich auf Ärzte noch verlassen. Die Frage nach der Ursache wurde nie gestellt.
Ohne die Unterstützung der Ärzte ging ich selbst auf die Suche nach dem Warum.
Mit 28 – vor 7 Jahren – versuchte ich über die körperlichen Ursachen der Schuppenflechte hinaus einen guten Weg für mich zu finden. Ich habe meine Ernährung dauerhaft umgestellt und extrem viel über gesundes Essen gelernt und auch wie wichtig Schlaf für die Gesundheit ist und noch viele weitere Faktoren. Wege zu finden, mit der Krankheit umzugehen, hat mir gleichzeitig auch eine Antwort auf das Warum gegeben.
Meine Krankheit als Chance zu erkennen, war die Antwort.
Basierend auf all meinen Erfahrungen und irgendwie wohl auf meinem wahren Selbst, auf dem Verstehen des Lebens, auf der Entwicklung eines Glaubens, an etwas Größeres als mich selbst, an Vertrauen, an Loslassen vom persönlichen Selbst, von bisherigen Glaubensmustern und Vorstellungen. Heute sehe ich meine Krankheit als Chance immer mehr zu mir selbst zu finden. Mein Bewusstsein zu erweitern und zu entwickeln.
Trotzdem falle ich immer wieder zurück.
Das heißt nicht, dass ich nicht immer wieder in mein persönliches Melodrama falle, wenn ich doch mal wieder feststecke. Wenn eine neue “Baustelle” oder besser Herausforderung aufkommt. Ich schreibe diesen Text zu einem Zeitpunkt, an dem ich selbst sicher nicht gesund bin. Ich kann also nicht davon sprechen, dass mein Körper physisch gesehen geheilt ist. Dennoch fühle ich mich nicht krank, im Sinne davon, dass der Schaden, der Schmerz, mein Leben kontrolliert.
Heilung bedeutet für mich nicht, dass die Krankheit nicht mehr da ist.
Heilung heißt, dass die Krankheit mein Leben nicht kontrolliert. Heilung ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess. Das neue Vertrauen, das ich in mir verankert habe, ist eine Basis, auf die ich immer wieder zurückfallen kann. Und der Punkt, an dem ich schnell wieder zu mir selbst finde. Das gibt mir so viel innere Ruhe und Kraft.
Sichtbar oder unsichtbar krank – was ist besser?
Als ich von Karinas Krankheit gelesen habe und den Problemen, der Stigmatisierung (“Man sieht ja nix, die tut nur so”), mit der die Betroffenen oft zu tun haben, dachte ich, “Oh man, das muss echt schwierig sein.” Und das ist es sicher auch. Gleichzeitig weiß ich, dass viele Betroffene von Schuppenflechte durch die Sichtbarkeit auch mit unschönen Reaktionen aus dem Umfeld zu kämpfen haben (Ekel und der Glaube, dass es ansteckend ist).
Sichtbarkeit als Chance.
Tatsächlich bin ich vor Jahren an den Punkt gekommen, das Sichtbare der Schuppenflechte als Chance zu sehen, denn es zeigt mir sehr schnell an, wenn ich nicht in Balance bin. Wie oft kommt es vor, dass man seine Selbstfürsorge vergisst und sich wochenlang, wenn nicht monate- oder jahrelang übergeht? Ich kenne es von mir selbst. Und da ist die Schuppenflechte und zeigt es mir an.
Krankheiten zu vergleichen, macht keinen Sinn.
Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass es natürlich Blödsinn ist Krankheiten miteinander zu vergleichen.
“Naja, wenigstens hast du keine Krankheit, an der du sterben kannst.”
“Naja, wenigstens musst du dich nicht verstecken.”
All das kriegt man immer wieder zu hören…
Bullshit. Jeder ist individuell. Jedes Leben ist individuell. Jeder hat seinen eigenen Weg, seine eigene Aufgabe. Keiner muss rechtfertigen, warum eine Krankheit da ist, oder ob überhaupt. Oder sich von anderen sagen lassen, dass eine Krankheit nicht heilbar ist oder, dass man nicht krank ist, wenn man genau spürt, dass etwas nicht gut ist, nicht in Balance ist.
Der Weg zu deinem Warum…
Ich hoffe sehr, auch du findest den Weg zu deinem Warum. Ich hoffe sehr, du kannst ihm sehr viel Raum geben, dem Warum. Raum über dich selbst hinaus, über das Sichtbare, Greifbare, Kontrollierbare, Menschliche hinaus. Und das große Ganze mit einbeziehen. Dann bin ich sicher wir alle finden unser Warum und einen Weg damit umzugehen.
Linda hat auch einen Blog. Schaut mal auf www.unterdiehaut.net vorbei.
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