4 Fragen an Dr. Kapferer-Seebacher, Zahnärztin und Spezialistin für pEDS
Dr. Ines Kapferer-Seebacher ist Zahnärztin mit dem Spezialgebiet Parodontologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Dort gibt es seit Kurzem eine Sprechstunde für Menschen mit seltenen Erkrankungen und Zahnbeteiligung.
Frau Dr. Kapferer-Seebacher beantwortet heute vier Fragen, die sich rund um ihre Arbeit mit seltenen Krankheiten drehen.
Wie kamen Sie zu den seltenen Erkrankungen?
Meine große Leidenschaft in der Zahnmedizin ist die Parodontologie, also die Lehre, Wissenschaft und Therapie der Parodontitis (Anmerkung: im Volksmund Parodontose). Vor fünf Jahren stellte sich bei mir eine Familie vor, bei der eine extrem schwere und frühauftretende Parodontitis vererbt wurde. In jeder Generation gab es mehrere Betroffene, die ihre Zähne bereits im Jugendalter verloren und mit Anfang / Mitte 20 zahnlos waren. Das war für mich erstmal erstaunlich und erschreckend. Als ich einzelne Familienmitglieder begann zu therapieren, stellte ich schnell fest, dass auch die Therapie anders verlief. Alles war in dieser Familie einfach anders. An Ehlers-Danlos dachte ich nicht. Ich war damals noch der Meinung, dass Menschen mit Ehlers-Danlos sowieso wissen, dass sie EDS haben. Ich dachte von EDS: überdehnbare Haut, überdehnbare Gelenke – das erkennt doch jeder als EDS. Ich hatte keine Ahnung…
Wie ging es weiter?
Wir begannen eine genetische Studie, um in dieser Familie die Ursache der schweren Parodontitis zu finden. Bald hatten wir den ersten Hinweis, auf welchem Chromosom der genetische Fehler liegen könnte. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich einmal kurz vor Mitternacht in der medizinischen Literatur herumstöberte, und plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, dass diese Tiroler Familie am parodontalen EDS (früher EDS VIII) leidet. Bei den nächsten Terminen fragten wir dann endlich nach überdehnbaren Gelenken, Fragilität der Haut, Organrissen, etc. “Man sieht nur, was man kennt.”
Im Jahr 2016, nach vier Jahren, kam dann der große Durchbruch: Wir hatten das Gen für das parodontale EDS gefunden. Die Aufregung war groß. In weiterer Folge konnten wir das Gen als Ursache für das parodontale EDS in 16 weiteren Familien bestätigen. Einige dieser Familien waren mit der klinischen Diagnose vaskuläres EDS herumgelaufen, welches genetisch nie bestätigt werden konnte. Wie groß war dann die Erleichterung, dass es “nur” pEDS ist. Das parodontale EDS ist ein spezifischer Subtyp, so wie das klassische oder des hypermobile EDS; es ist NICHT Parodontitis und EDS.
Die Entdeckung der genetischen Ursache des parodontalen EDS kam früh genug, damit sie in die neuen EDS–Klassifikation 2017 eingebaut wurde.
Was bringt das den Betroffenen?
Ich denke, alle Betroffenen wissen, wie hilfreich es oft schon ist, einfach nur die richtige Diagnose zu haben. Unsere Tiroler pEDS PatientInnen berichteten zum Beispiel, dass sie als Kinder von ihrem Zahnarzt immer geschimpft wurden, dass sie zu schlecht die Zähne putzen würden, und dass es ihr eigener Fehler sei, wenn sie ausfallen. Ein Mädchen wurde von diesem Zahnarzt sogar anderen Kindern vorgeführt: “Wenn Ihr so schlecht putzt wie sie, fallen Euch auch die Zähne aus.” Es war eine große Erleichterung für sie, zu erfahren, dass sie nicht selbst schuld ist. Für die nachkommende Generation können wir erstmal nur über einen genetischen Test feststellen, wer betroffen ist und wer nicht, und den betroffenen Kindern eine engmaschige Zahnprophylaxe zukommen lassen.
Was ist für die Zukunft geplant?
Ich möchte den Zusammenhang Parodontitis und EDS auch für die anderen EDS-Subtypen untersuchen. Bisher gibt es keinen Hinweis, dass auch andere Subtypen als das parodontale EDS mit Parodontitis assoziiert sind.
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